Wettbewerbsfähigkeit der Industrie steht auf dem Spiel

Karin Breidbach

Wettbewerbsfähigkeit der Industrie steht auf dem Spiel

Im internationalen Vergleich bleibt Deutschland ein teurer Standort für die Industrieproduktion. Angesichts der drohenden Rezession ist es besonders bedenklich, dass die Lohnstückkosten im Verarbeitenden Gewerbe in jüngster Zeit wieder stärker gestiegen sind als in den Konkurrenzländern.

Geschwächt durch die Corona-Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs steht die deutsche Wirtschaft vor einer Rezession. Ein wichtiger Krisenfaktor sind die dramatisch gestiegenen Energiekosten, die auch die allgemeine Inflationsrate nach oben treiben – im September 2022 auf 10 Prozent.

In den anstehenden Tarifrunden zeichnen sich vor diesem Hintergrund hohe Lohnforderungen ab. Die deutsche Industrie würde damit zugleich von steigenden Energie- und Arbeitskosten und dem Konjunktureinbruch in die Zange genommen. Für die Betriebe geht es nun darum, weiterhin zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren zu können.

Dass das deutsche Verarbeitende Gewerbe im internationalen Vergleich schon vor dem Ukraine-Krieg keinen leichten Stand hatte, zeigt der Blick auf die Relation von Arbeitskosten zur Produktivität – die Lohnstückkosten:

Im Vergleich von 28 Ländern hatte die Industrie in Deutschland 2021 die siebthöchsten Lohnstückkosten – sie schnitt damit unter anderem deutlich schlechter ab als die USA, Japan, die Niederlande und Spanien.

Insgesamt kamen die untersuchten Länder auf einen Lohnstückkostenvorteil gegenüber der deutschen Konkurrenz von 12 Prozent.

Das Problem für das hiesige Verarbeitende Gewerbe sind vor allem die im internationalen Vergleich fünfthöchsten Arbeitskosten:

Durchschnittlich liegen Löhne, Sozialbeiträge und die weiteren Personalkosten im Ausland um 20 Prozent unter dem deutschen Niveau.

Diesen Nachteil kann die deutsche Industrie auch nicht durch ihre vergleichsweise hohe Produktivität, also die Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde, wettmachen. Zudem haben die Wettbewerber den Produktivitätsrückstand gegenüber Deutschland seit 2018 von 12 auf 8 Prozent verringert.

Immerhin blieben die Lohnstückkosten in den beiden zurückliegenden Corona-Jahren in Deutschland nahezu konstant – in erster Linie, weil sich die Arbeitskosten je Stunde nur moderat erhöhten –, während sie im Durchschnitt der ausländischen Konkurrenz um gut 4 Prozent stiegen.

Im laufenden Jahr hat sich dieser Trend allerdings nicht fortgesetzt – im Gegenteil:

Im ersten Halbjahr 2022 legten die Lohnstückkosten in der deutschen Industrie gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 4,9 Prozent zu – im Ausland gab es durchschnittlich nur ein Plus von 2,8 Prozent.

Das ist vor allem deshalb problematisch, weil der zu erwartende Konjunktureinbruch gerade das Verarbeitende Gewerbe treffen dürfte, das bis heute die corona-bedingte Produktionslücke nicht schließen konnte. Zugleich werden viele Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels auch in der absehbaren Krise ihre Beschäftigten halten. Das dürfte die Lohnstückkosten weiter nach oben treiben und den Betrieben noch weniger Spielraum für dringend benötigte Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung lassen.

Quelle: IW Köln